B – Breathing (Beatmung) im Primary Survey

Sind die Atemwege frei und sicher, und liegt kein A-Problem vor, untersuchen wir den Patienten auf evtl. B-Probleme. Hier stellen wir uns folgende Fragen:

  • Ist eine normale Atmung vorhanden?
  • Wie ist die Atemfrequenz?
  • Gibt es abnormale Atemgeräusche (Auskultation)?
  • Wie ist die Sauerstoffsättigung?

Nachdem der Patient im A stabil ist, wenden wir uns der Beatmung des Patienten zu. Hierbei geht es um eine gleichmässige und suffiziente Belüftung der beiden Lungenflügel. Um dies zu kontrollieren verlassen wir uns in erster Linie auf drei Sinne “Sehen, Hören und Fühlen”. Zuerst schauen wir, ob sich der Thorax (Brustkorb) gleichmässig zur Atmung hebt. Trägt der Patient dicke Kleidung machen wir den Oberkörper frei oder legen unsere Hand auf die Brust, um die Hebung zu fühlen. Dabei zählen wir auch die Atemfrequenz aus. Diese hängt aber sehr stark vom Alter und von jedem Individuum ab. Hier eine Auflistung der normalen Atemfrequenzen:

  • Neugeborenen (-30 Tage) 30-60 Atemzüge/min.
  • Säugling (-1 Jahr) 30-60 Atemzüge/min.
  • Kleinkind (1-5Jahre) 22-40 Atemzüge/min.
  • Kind (6-12 Jahre) 18-30 Atemzüge/min.
  • Jugendliche 12-16 Atemzüge/min.
  • Erwachsenen 12- 16 Atemzüge/min.

Ist die Atemfrequenz niedriger als der Normwert, spricht man von Bradypnoe. Ist sie schneller, bezeichnet man dies als Tachypnoe. Der schlimmste Fall wäre die Apnoe (Atemstillstand). Nachdem wir die Thoraxhebung und die Atemfrequenz kontrolliert und ausgezählt haben, wird mit Hilfe eines Stethoskops die Lungen auskultiert (abgehört). Hierbei achten wir auf eine gleichmässige Belüftung der Lunge und auf Atem-Nebengeräusche wie zum Beispiel Brummen, Pfeifen, Giemen oder Stridor. Diese Nebengeräusche sind Anzeichen für Verengungen in den Atemwegen und Bronchien, sowie Ablagerungen von Schleim und/oder Sekretbläschen in der Lunge. Diese Untersuchungen werden, sofern möglich und die Situation es zulässt, immer vom Leader durchgeführt. Die pulsoxymetrische Sauerstoffsättigung (SpO2), die mit dem Monitor gemessen wird, ist eine weitere wichtige Untersuchung. Sie ist ein Teil des Monitoring’s (Sauerstoffsättigung, Blutdruck, EKG) und wird meistens an den Kollegen delegiert. Hier liegt der Normwert bei ca. 97 – 100 %. Liegt der Wert der Pulsoxymetrie unter 90%, sollte dies mit der Gabe von Sauerstoff (O2) behandelt werden. Unter 85% spricht man von einem kritischen Wert. Bei einem Traumapatienten geben wir grundsätzlich immer, unabhängig der laufenden Untersuchung, zusätzlich Sauerstoff (O2).

Massnahmen für die Behandlung eines B-Problems:

  • Atemunterstützende Lagerung
  • Sauerstoffgabe über
    • Nasenbrille (1-6 l/min.)
    • Maske (8-10 l/min.)
    • Maske mit Reservoir (10-15 l/min.)
  • Beatmen
    • kontrollierte Beatmung
    • assistierte Beatmung
  • Entlastungspunktion (bei einem Spannungspneumothorax)

Die Beatmung

Bei der Mund-zu-Mund Beatmung, wie sie zum Beispiel bei der Laien-Reanimation üblich ist, liegt die Sauerstoffkonzentration bei ca. 16%. Im Rettungsdienst kommt die Beutelbeatmung zum Einsatz. Hier liegt die Sauerstoffkonzentration (ohne zusätzliche O2-Gabe) bei 21%. Bei der Beutelbeatmung hat man noch die Möglichkeit, zusätzlich Sauerstoff beizumischen, um eine maximale Sauerstoffkonzentration im Blut zu erreichen. Je nach Zustand und Atemfrequenz wird der Patiente assistiert oder kontrolliert beatmet. Bei der assistierten Beatmung wird der Grossteil der Atemarbeit und der Atemregulation vom Patienten selbst geleitet. Der Rettungssanitäter, bzw. die Beatmungsmaschine unterstützt den Patienten dabei wie ein zusätzlicher Atemmuskel. Kann der Patient nicht mehr selbstständig suffizient atmen, kommt die kontrollierte Beatmung zum Einsatz. Hier übernimmt der Rettungssanitäter, bzw. die Beatmungsmaschine die vollständige Beatmung.

Entlastungspunktion

Bei einem Patienten mit einem Thoraxtrauma (Schuss-/Stichverletzung, Rippenfraktur, usw.), kann es zu einem Pneumothorax kommen. Dabei tritt Luft in den Pleuraspalt (Raum zwischen Lunge & Rippen) ein und behindert die Atmung. Im Pleuraspalt herrscht im Normalzustand ein Unterdruck. Dieser Unterdruck sorgt dafür, dass die Lunge nicht kollabiert. Tritt nun Luft hinein, kann dies zu einem teilweise oder vollständigen Kollaps des betroffenen Lungenflügels führen. Die Folgen / Symptome sind Dyspnoe (erschwerte Atmung, Atemnot), atemabhängige Schmerzen in der Brust, trockener Husten usw.. Ein Pneumothorax kann auch zu einem Spannungspneumothorax führen, eine akut lebensbedrohliche Notfallsituation. Hier wird neben der Lunge auch das Herz (wird zur Seite gedrückt), sowie die obere und untere Hohlvene (werden abgedrückt) in Mitleidenschaft gezogen. Hier werden schnelles Diagnostizieren und richtiges Handeln gefordert. Mit Hilfe einer Entlastungspunktion kann der entstandene Überdruck in der Pleuraspalt abgelassen werden.

Wichtig: Wir können erst zum C (Circulation – Herz-Kreislauf) weiter gehen, wenn sämtliche B-Probleme behoben sind. Wird der Körper bzw. seine lebenswichtigen Organe wie zum Beispiel das Gehirn nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt, kann dies schwerwiegende Folgen für den Patienten haben.

B – Breathing (Beatmung) kurz erklärt:

A – Airway (Atemweg) im Primary Survey

Die Patientenuntersuchung im Primary Survey (ABCDE-Schema) läuft immer chronologisch ab. Hierbei gilt stets der Grundsatz „Treat first what kills first”. Daher beginnen wir immer mit der Untersuchung der Atemwege. Dabei stellen wir uns folgende Fragen:

  • Sind die Atemwege frei und sicher?
  • Sind die Atemwege verlegt?
  • Besteht das Risiko einer Verlegung?
  • Ist eine Atmung vorhanden?
  • Liegt eine Verletzung der Halswirbelsäule (HWS) vor?

Bereits im General Impression, der Erstbeurteilung des Patienten, erhalten wir einen erster Eindruck und können einige Fragen zum A beantworten. Spricht man den Patienten an und es kommt keine Antwort zurück, oder sind zum Beispiel die Lippen zyanotisch, muss von einer Atemwegsverlegung ausgegangen werden. Weitere mögliche Symptome beim Ersteindruck können Husten, abnorme Atemgeräusche & -bewegungen oder Bewusstseinsstörung sein. Im Primary Survey werden im A die oberen Atemwege (Mundhöhle & Rachen) und die Atmung kontrolliert. Sind sie frei und sicher, und ist eine suffiziente Atmung vorhanden, könne wir weiter zum B (Breathing – Beatmung). Wird jedoch ein A-Problem festgestellt, so muss dies umgehend behandelt und behoben werden. Um die oberen Atemwege frei zu machen und zu sichern, gibt es verschiedene Massnahmen.

  • Manuelle Manöver (ohne HWS-Trauma)
    • Head-Tilt Chin-Lift Manöver
    • Esmarch-Handgriff
  • Manuelle Manöver (mit HWS-Trauma)
    • Trauma-Jaw-Thrust
    • Trauma-Chin-Lift
  • Guedeltubus (über den Mund)
  • Wendeltubus (über die Nase)
  • Fremdkörper entfernen
    • Absaugen (Erbrochenes, Blut, usw.)
    • mit chirurgische Zange (feste Fremdkörper)
    • Heimlichmanöver
  • Larynxtubus (bei bewusstlosen Patienten, durch Notarzt)

Eine assistierte oder kontrollierte Beatmung, sowie die Gabe von Sauerstoff wird im A jedoch noch nicht durchgeführt. Diese Massnahmen folgen erst im B.

Ist der Patient gestürzt oder war er in einen Verkehrsunfall verwickelt, wird im A zudem die Halswirbelsäule-Fixation (kurz HWS-Fixation) durchgeführt. Zuerst erfolgt eine manuelle Fixation durch einen Rettungssanitäter. Anschliessend wird zur Unterstützung meistens eine HWS-Schiene (Stifneck) angelegt.

Wichtig: Wir können erst zum B (Breathing – Beatmung) weiter gehen, wenn sämtliche A-Probleme behoben sind. Man bedenke, dass eine suffiziente Beatmung im B, mit verlegten Atemwege, nicht möglich ist.

Das Airway-Management kurz erklärt:

(Quelle: youtube / Med Camp Stand: 03.08.2017)

Das ABCDE-Schema im Rettungsdienst

Um eine verletzte, kranke oder kritische Person zu beurteilen, setzen Rettungssanitäter weltweit das ABCDE-Schema ein. Es gehört zum Primary Survey und ist eine Erstbeurteilung des Patienten, die innert 2-3 min. abgeschlossen sein sollte. Das ABCDE-Schema ist eine denkbar einfache und effektive Strategie, um Patienten nach einer Prioritätenliste zu beurteilen und zu behandeln. Ganz nach dem Grundsatz „Treat first what kills first” werden zuerst die Probleme beurteilt, behandelt und gelöst, welche lebensbedrohlicher sind und schneller zum Tod führen. Erst wenn ein potentielles Problem erfolgreich behandelt wurde, geht man zum nächsten Punkt in der Beurteilung über.

Das Schema / Aufbau

  • A – Airway (Atemweg)
  • B – Breathing (Beatmung)
  • C – Circulation (Kreislauf)
  • D – Disability (Defizit, neurologisches)
  • E – Exposure/Environment (Exploration)

Ein Beispiel: Wird im A eine Atemwegsverlegung (teilweise oder vollständig verschlossene Atemwege) festgestellt, kann dies zu einem Erstickungszustand (Asphyxie) führen, bei dem der Tod wesentlich schneller eintritt, als bei einer Blutung (Hämorrhagie, C-Problem). Ausgeschlossen sind hier natürlich kritische und unkontrollierte innere und äussere Blutungen, bei denen der Blutverlust innert kurzer Zeit 1.5 Liter überschreitet. Hier würde dann folgendes Schema zur Anwendung kommen:

  • C – Critical Bleeding (kritische / unkontrollierte Blutung)
  • A – Airway (Atemweg)
  • B – Breathing (Beatmung)
  • C – Circulation (Kreislauf)
  • D – Disability (Defizit, neurologisches)
  • E – Exposure/Environment (Exploration)

Das (C-)ABCDE-Schema kurz erklärt:

(Quelle: youtube / Med Camp Stand: 06.07.2017)

Nach dem ABCDE-Schema (Primary Survey) erfolgt im Zuge eines “Team-Timeout” (auch „10 Sekunden für 10 Minuten“ genannt), die Einteilung der kranken oder verletzten Person in “kritisch” oder „nicht kritisch”. Zudem wird eine Strategie für den Transport festgelegt und die weiteren Massnahmen festgelegt.

Strategien für den Transport:

  • Load and go (laden und fahren)
  • Treat and run (versorgen und laufen)
  • Stay and play (bleiben und spielen)

Zu den einzelnen Buchstaben (A – E ), sowie zu den Themen Scene Assessment, General Impression und Secondary Survey werden ich in den nächsten Tagen jeweils einen separaten Beitrag veröffentlichen.